Konzertprogramm | Patricia Janečková & Collegium Marianum

Texte zu den vokal-instrumentalen Kompositionen zum Herunterladen (in English)
 

Konzertprogramm

 
Antonio Vivaldi (1678–1741)
In furore iustissmae irae RV 626
I. Arie „In furore iustissimae irae“ (In einem Anfall rechtschaffener Wut) (Allegro)
II. Recitativ „Miserationum Pater piissime“ (Erbarmen des heiligsten Vaters)
III. Árie Arie „Tunc meus fletus“ (Danach meine Tränen) (Largo)
IV. Aleluja

Sonata a quattro C-Dur RV 801/RV Anh. 66
I. Largo
II. Allegro
III. Largo
IV. Allegro

Arie „Eja voce sonora laeti cantate“ RV Anh 59.29 (Lasst laut das Lied fröhlich klingen)
(neuzeitliche Welturaufführung)

Konzert für Flöte d-Moll RV 431a „Il Gran Mogol“
I. Allegro
II. Grave supra il libro come stà
III. Allegro

Antonio Caldara (1670–1736)
Arie aus dem Oratorium Santa Ferma „Quell´usignuolo tempra il suo duolo“ (Die Nachtigall vervielfacht seinen Schmerz)

František Jiránek (1698–1778)
Konzert C-Dur für Oboe, Streicher und Basso continuo, bearbeitet für Traversflöte
(neuzeitliche Welturaufführung)
I. Allegro
II. Adagio (Cantabile v sólovém partu in der Solostimme)
III. Allegro

Antonio Vivaldi
Salve Regina F-Dur RV 617
I. Salve Regina
II. Ad te clamamus (Allegro)
III. Eia ergo (Allegro)
IV. Et Jesum benedictum (Andante)

– Konzert ohne Pause –
 
Collegium Marianum
Jana Semerádová, Traversflöte & künstlerische Leitung
Lenka Torgersen, 1. Violine
Eleonora Machová, 2. Violine
Andreas Torgersen, Viola
Philipp Comploi, Cello
Jan Krejča, Theorbe
Ján Prievozník, Kontrabass
Filip Hrubý, Cembalo & Orgelpositiv

Patricia Janečková, Sopran
 

Patricia Janečková

 
Mit Orchester trat sie zum ersten Mal auf als sie zehn Jahre alt war und auf der Theaterbühne debütierte sie solistisch mit dreizehn im Jahr 2011 in der Rolle der Annie in Brittens Der kleine Schornsteinfeger. In die Schublade des „Wunderkinds“ und ins öffentliche Bewusstsein geriet die in Deutschland geborene und in Ostrava lebende Sängerin, nachdem sie 2010 zur Gewinnerin des tschechoslowakischen Fernsehwettbewerbs Talentmania wurde. Viele erinnern sich außerdem noch immer an ihre Darbietung der zentralen Melodie aus dem Film Spiel mir das Lied vom Tod von Ennio Morricone. Seitdem wächst sie unter den pädagogischen Händen Eva Dřízgová-Jirušovás zu einer Sängerin heran, die bereits Konzerte in Österreich, Deutschland, Portugal, Frankreich und auf einer Reihe internationaler Musikfestivals in der Tschechischen Republik, sowie gemeinsame Projekte mit Größen wie Adam Plachetka oder Petr Vorský hinter sich hat. Im Jahr 2015 debütierte sie in Mozart-Rollen im Staatstheater Košice und im Slowakischen Nationaltheater in Bratislava. Sie arbeitet mit der Janáček Philharmonie Ostrava, dem Symphonieorchester der Hauptstadt Prag FOK und der Camerata Janáček zusammen, eine langjährige künstlerische Pilgerreise verbindet sie außerdem mit dem Mährisch-Schlesischen Nationaltheater in Ostrava. Mit dem Ensemble Collegium Marianum traf sie professionell zum ersten mal im Jahr 2017 zusammen, als sie sich in Händels Oper Acis et Galatea präsentierte. Davon, dass die Interpretation Alter Musik wirklich zu ihrer Stimme passt, zeugt auch ihr Gewinn des Concorso Internazionale Musica Sacra in Rom im Jahr 2016, der ihr unter anderem die Teilnahme an Meisterkursen beim Solisten des Mailänder Teatro alla Scala, Renato Bruson, ermöglichte. Aktuell studiert sie Gesang an der Universität Ostrava in der Klasse von Eva Dřízgová-Jirušová.
 

Jana Semerádová

 
Das künstlerische Leben Jana Semerádovás ist vor allem mit dem Ensemble Collegium Marianum verbunden, hinter dessen ungewöhnlichen Dramaturgien ihre Forschungsaktivitäten im Bereich der barocken Geste, Deklamation und des historischen Tanzes stehen. Regelmäßig arbeitet sie auch mit anderen europäischen Spitzenensembles im Bereich der Alten Musik zusammen, wie beispielsweise der Akademie für Alte Musik Berlin, Il Giardino Armonico oder Il suonar parlante. Sie ist außerdem eine gefragte Kammermusikpartnerin, wirkte in Projekten mit Magdalena Kožená, Sergio Azzolini, Alfredo Bernardini und vielen anderen Größen im Bereich der sogenannten „early music“ mit. Sie studierte Flöte am Prager Konservatorium und Theorie und Aufführungspraxis Alter Musik an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität in Prag. Ihre Ausbildung vertiefte sie noch am Königlichen Konservatorium in Den Haag und im Fach Flöte erhielt sie eine Dozentur an der Musikfakultät der Akademie der musischen Künste in Prag. Gleichzeitig finden wir Solo-Aufnahmen von ihr beim Label Supraphon. Sie ist Dramaturgin des Konzertzyklus Baroque Soirées und des Internationalen Sommerfestivals Alter Musik, aktuell ist sie außerdem Mitglied des künstlerischen Beirats des Musikfestivals Prager Frühling.
 

Collegium Marianum

 
Das Ensemble Collegium Marianum mit seiner künstlerischen Leiterin Jana Semerádová gehört bei uns zu den Vorreitern der historisch informierten Aufführung alter Musik und zu den bedeutenden Propagatoren der tschechischen Musik des 17. und 18. Jahrhunderts, 2010 erhielt es dafür den Preis der tschechischen Abteilung des internationalen Musikrats der UNESCO. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich nicht nur auf konzertante, sondern auch auf szenische Werke. Dank dessen sind sie es, die hinter vielen tollen Projekten in Zusammenarbeit mit europäischen Spitzensolisten, Regisseuren, Dirigenten und Choreographen (Andrew Parrott, Simona Houda-Šaturová, Peter Kooij und weitere) stehen. Ein Paradebeispiel für die Originalität des Ensembles ist seine Zusammenarbeit mit dem Schauspielensemble Buchty a loutky, mit dem sie die Puppenoper Calisto und eine zauberhafte Inszenierung von Händels Pastoral-Oper Acis et Galatea umsetzten. Das Collegium Marianum tritt regelmäßig auf renommierten europäischen Festivals auf: Oude Muziek in Utrecht, Tage Alter Musik in Regensburg, Bachfest in Leipzig, Festival de Sablé in Frankreich, Prager Frühling und weitere. Seit 2008 arbeiten sie mit dem Verlag Supraphon zusammen, wo sie im Rahmen der Edition Hudba Prahy 18. století (Prager Musik des 18. Jahrhunderts) insgesamt acht CDs mit Musik von František Jiránek, Jan Dismas Zelenka, Josef Antonín Sehling und weiteren tschechischen Autoren einspielten.
 

Über das Programm

 
„Die Arbeiten von Vivaldis Schülern können manchmal vorhersehbar oder schablonenhaft klingen. Bei František Jiránek ist dies jedoch nicht der Fall. Die Originalität und Virtuosität seiner Fagott- und Oboenkonzerte, die Süße langsamer Sätze und die typischen Synkopen in seinen Flötenkonzerten zeugen von dem ausgereiften Stil, der italienische Gesanglichkeit mit eleganter Musique galante verbindet.“ (Jana Semerádová)
 
„Eine moderne Uraufführung zu singen ist genial und bereichernd zugleich, denn es gibt kein Interpretationsmuster, das mich in irgendeiner Weise beeinflussen würde. Daher kann ich guten Gewissens sagen, dass ich meine eigene Sicht auf die Sache darstelle. Vivaldis Musik ist so schön, tief, unglaublich! Ich bin froh und dankbar, auf diese Weise einen Beitrag leisten zu können.“ (Patricia Janečková)
 
Das sechste Festivalkonzert bietet Musik von Antonio Vivaldi im Kontext seiner tschechischen und italienischen Zeitgenossen: Antonio Caldara (1670–1736) und František Jiránek (1698–1778). Antonio Caldara wurde wie Vivaldi in Venedig geboren, wo er bis zu seinem 30. Lebensjahr als freischaffender Musiker arbeitete. Seine Karriere in dieser Zeit ist eng mit der Basilika San Marco verbunden, die in gewisser Weise mit Musikproduktionen im Ospedale della Pietà konkurrierte. 1699 ging Caldara nach Mantua, um dem extravaganten Herzog Ferdinand Carl Gonzaga (1652–1708) zu dienen. Anschließend arbeitete er in Spanien im Dienste Karls III. (1716–1788), in Rom und in seiner letzten Lebensphase am kaiserlichen Hof in Wien. Hier schrieb er 1717 das Oratorium Santa Ferma. Das Leben und die Karriere von František Jiránek führen uns zu dem bedeutenden tschechischen Mäzen Antonio Vivaldis, zum Grafen Wenzel von Morzin (1675–1737). „Jiránek wurde auf dem Gut Morzin in Lomnice nad Popelkou geboren und diente schon in jungen Jahren als Page am gräflichen Hof. Der Graf erkannte sein musikalisches Talent und schickte ihn für zwei Jahre nach Venedig, um bei Antonio Vivaldi, Morzins Maestro di musica in Italia, Musik zu studieren. Nach Morzins Tod ging Jiránek nach Dresden, wo er der bestbezahlte Geiger in der Kapelle von Heinrich Graf von Brühl (1738–1763) wurde. Er erreichte ein hohes Alter von achtzig Jahren“, stellt Jana Semerádová die Persönlichkeit František Jiránek vor. Neben der Musik dieser beiden Autoren wird es natürlich auch Kompositionen von Antonio Vivaldi geben, sowohl vokale als auch instrumentale: Die Motette In furore iustissmae irae RV 626, die Vivaldi während eines seiner Rom-Aufenthalte in den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts komponierte, Salve Regina RV 617, deren einzige Partitur Abschrift weltweit sich im Mährischen Museum in Brünn befindet, und die 2020 gefundene Arie Eja voce sonora laeti cantate RV Anh 59.29, die in einer modernen Uraufführung zu hören sein wird. Ihr Entdecker Eduardo García Salas sagt zu dieser Komposition: „In einem Artikel von Emil Trolda in der Music Review von 1915 las ich von einer Sammlung aus der Kirche St. Peter und Paul in Mělník. Augenblicklich fuhr ich zum Tschechischen Musikmuseum, in das die Sammlung verlegt worden war, und entdeckte hier diese Arie in einem der Bände. Es handelt sich um eine exakte Kopie von Chi mai d‘iniqua stella aus der Oper Rosmira fedele RV 731, jedoch auf lateinischen Text, wie es damals üblich war.“ Von den Instrumentalwerken ist besonders das Flötenkonzert d-Moll RV 431a mit dem Beinamen „Il Gran Mogol“ interessant. Der Name ist von Europäern erdacht, es war ihr Name für die indischen Herrscher der Mogul-Dynastie. „Der Titel ist besonders mit einem der größten Moguln verbunden, mit Akkbar dem Großen, der Ende des 16. Jahrhunderts regierte. Damals entstand auch der romantisierende Blick auf das Mogulreich“, sagt Jana Semerádová. Dieses „indische“ Konzert ist das einzige erhaltene aus dem Quartett sogenannter nationaler Konzerte mit den Namen Il Gran Mogol, La Francia, La Spagna und L’Inghilterra. Die letzten drei gingen verloren, von der Existenz des vierten erfuhr man durch eine Erwähnung im Katalog des niederländischen Buchhändlers Nicolaas Selhof von 1759. 2010 wurde es im Nachlass von Lord Robert Kerr (?-1746) entdeckt, der sich dieses Konzert höchstwahrscheinlich von seiner Kavaliersreise aus Italien mitgebracht hatte.
 

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