Der kurfürstlich-sächsische Hofkapellmeister Johann Gottlieb Naumann (1741-1801)

Der kurfürstlich-sächsische Hofkapellmeister Johann Gottlieb Naumann (1741-1801) war nicht allein im Dresdner Kulturleben zum Ende des 18. Jahrhunderts eine wichtige Figur, er war schon zu Lebzeiten international angesehen, zuhause in Deutschland und auch im Ausland. Seine Geschichte klingt wie ein Märchen: Der Sohn eines Kleinbauern ohne eigenes Land, geboren im heutigen Dresdner Vorort Blasewitz, verließ 1757 seine Heimatstadt, um sich in Italien künstlerisch ausbilden zu lassen. Nach den ersten kompositorischen Erfolgen kehrte er 1764 in seine sächsische Heimat zurück, wo er eine Stelle als Geistlicher Komponist des Kurfürsten von Sachsen am Dresdner Hof antrat. Nach seiner Ernennung zum Hofkapellmeister im Jahr 1776 und seiner Beteiligung an den Absichten des schwedischen Königs Gustav III. und König Christian VII. von Dänemark, die Oper zu reformieren, wuchs seine Berühmtheit bedeutend.
Neben Opernwerken und geistlicher Musik komponierte Naumann auch Lieder (mehr als 300), und darunter auch Vertonungen freimaurerischer Texte (über 70 Lieder). Von Naumanns großer Popularität zeugen auch die zahlreichen Veröffentlichungen in Liedersammlungen des 18. und 19. Jahrhunderts.

Johann Gottlieb Naumann wurde 1774 Johanniter, als er in die Dresdner französischsprachige Loge Aux vrais amis, die Teil der vereinigten Loge der Drei Schwerter und der Wahren Freunde war, aufgenommen wurde.  Bereits am 17. Dezember 1774 wurde er vom Lehrling zum Gesellen und 1776 zum Meister befördert. 1779 wurde er zum Schottischen Meister ernannt und bekleidete zwischen 1780 und 1782 das Amt des Zeremonienmeisters. Die Einstellung aller Aktivitäten der Dresdner Loge im Jahr 1790 führte zu einem Stillstand seines freimaurerischen Engagements, von dem es sich nie mehr erholte.

Die Oper Osiris, deren Libretto vom Dresdner Hofdichter Caterino Mazzolà verfasst wurde, gehört zu den Bühnenwerken, die für den Dresdner Hof geschrieben wurden. Aufgeführt wurde die Oper anlässlich der Hochzeit des sächsischen Prinzen Anton Clemens Theodor von Sachsen mit Marie Caroline Antoinette von Sardinien am 27. Oktober 1781 im Kleinen Kurfürstlichen Theater in Dresden. Der bedeutende Naumann-Biograph Richard Engländer vertritt seit langem die Ansicht, die Oper sei „…ein großartiges Bekenntnis zur Freimaurerei„. Doch die Forschung ist in den letzten Jahren zu anderen Ergebnissen gekommen. Nach Ansicht des Philosophen, Ägyptologen und Opernhistorikers Florian Ebeling, ist das Libretto der Oper Osiris ein mythologisch überhöhtes Abbild eines realen Hochzeitspaares und unterscheidet sich damit deutlich von Mozarts Zauberflöte, der Freimaureroper schlechthin. Szenische Bilder des mythischen Ägyptens, die Figurenkonstellation, die Charakterisierung des Paares, das im Mittelpunkt der Handlung steht, und die verschiedenen Handlungselemente weisen zahlreiche Ähnlichkeiten auf, die oft aber nicht freimaurerischen Ursprungs waren. Andererseits ist es sicherlich schwierig, die freimaurerischen Bezüge zu trennen. Das Libretto für Osiris könnte jedoch die Inspiration für Mozarts Zauberflöte (die 10 Jahre später uraufgeführt wurde) gewesen sein, wenn auch keine entscheidende Quelle.

Klaus Pietschmann hingegen interpretiert die gesamte Handlung von Osiris „… als konsequente, freimaurerische Lehre […], deren voller Sinn sich nur dem Eingeweihten erschließt„. Seine Vermutung beruht auf Parallelen zwischen der Oper und freimaurerischen Ritualen, wobei „entlehnte“ Bezüge zu freimaurerischer Musik nicht explizit erläutert werden.

Obwohl die Ideen und Grundsätze der Freimaurerei kulturell und historisch in das Milieu der Geschichte des altägyptischen Königs Osiris passen, zeigen Einschätzungen voller Widersprüche, dass es Grund gibt, Zweifel an der freimaurerischen Grundidee zu hegen, die das Werk durchdringen soll.

Neben den Bezügen zur Freimaurerei war Osiris unglaublich wichtig für die Entwicklung von Naumanns Opernschaffen in Bezug auf Form, Gesangsstil und Instrumentaltechnik. Die Ouvertüre ist mithin das erste Beispiel für eine Beeinflussung Naumanns durch die Oper im französischen Stil. In ähnlicher Art und Weise komponierte er dann seine nachfolgenden Opern.

Die Arie Se mai vedi il mio tesoro stammt aus der siebten Szene des ersten Aktes von der Oper Suleiman, komponiert für den Karneval von Venedig im Jahr 1773 nach dem Libretto eines unbekannten Autors.
Die Oper gehört in die Gattung der so genannten Opera seria, die Naumann während seines dritten Italienaufenthalts komponierte. Die Arie wurde nach ihrem Erfolg in Venedig im Druck veröffentlicht und wurde auch dank zahlreicher handschriftlicher Kopien weiter verbreitet.

Sinfonia in D ist die Ouvertüre zu Naumanns Oper Amphion mit einem schwedischsprachigen Libretto, die am 26. Januar 1778 in Stockholm uraufgeführt wurde. Ab Juli 1777 arbeitete Naumann nämlich auf Veranlassung von König Gustav III. in Schweden, um die Hofkapelle wieder aufzubauen und seine eigenen Werke aufzuführen. Die Ouvertüre ist im Stil einer dreiteiligen neapolitanischen Opern Sinfonia geschrieben.

Das Offertorium Lauda Sion Salvatorem ist eines von 20 vom Protestanten Naumann komponierten katholischen Offertorien. Es wurde 1796 für die Kathedrale zur Heiligen Dreifaltigkeit in Dresden geschrieben und war eines der wenigen Werke der Kirchenmusik mit lateinischem Text, die der Komponist im Druck veröffentlichte. Auf der Grundlage dieser Druckausgabe finden sich mehr als zwei Dutzend Transkriptionen in verschiedenen deutschen, österreichischen und tschechischen Bibliotheken.

 

 

Autor: Dr. Kornél Magvas

 

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