DORA PEJACEVIĆ UND IHRE BEZIEHUNGEN ZU TSCHECHISCHEN KÜNSTLERN

Kontakte, Anregungen, Freundschaften

 

Verbindungen kroatischer Komponisten mit tschechischen Kulturzentren und Künstlern haben die kroatische Musik seit dem 19.Jahrhundert bereichert. Vatroslav Lisinski (1819–1854) – Autor der ersten kroatischen Oper – war einer der ersten kroatischen Komponisten, die in Prag studierten und der unter anderem Lieder auf Texte tschechischer Dichter komponierte. Ideen über nationale Kunst aus Tschechien prägten das Repertoire kroatischer Chorvereinigungen, und das Prager Konservatorium wurde zur Ausbildunsgsstätte mehrere Musiker aus Kroatien.

Die Komponistin Dora Pejačević (1885-1923), Tochter des kroatischen Bans, Grafen Theodor Pejačević, und der ungarischen Gräfin Lilla Vay de Vaya, erhielt ihre kosmopolitische Erziehung und Musikunterricht im Familienschloss in Našice, später im Privatstudium in Zagreb, Dresden und München. Ihre wichtigsten Anregungen erhielt sie jedoch durch häufige Kontakte mit Intellektuellen, sowie durch Reisen in mitteleuropäische Kulturzentren wie Wien, Budapest, Prag und München.

Sie hielt sich häufig in Tschechien auf, wo ihr Freundinnen aus adeligen Kreisen nicht nur die hiesige idyllische Landschaft näher brachten, sondern auch Kontakte zu tschechischen Künstlern und Interpreten herstellten, denen sie etliche ihrer Werke widmete.

Bereits als neunzehnjährige Komponistin widmete sie 1904 ihr Menuett für Violine und Klavier op.18 dem damals schon berühmten Violinvirtuosen Jaroslav Kocián. Er spielte die Miniatur, wie auch die Canzonetta op.8, im selben Jahre mehrmals in Zagreb, später auch in Budapest.

Während die Widmung an Kocián als Interpreten eher praktische Gründe hatte, ist die Widmung der Meditation für Violine und Klavier op. 51 (1919) eine Huldigung an einen großen Künstler. Adressat ist der Komponist Vítĕszlav Novák, Professor am Prager Konservatorium, dessen Name in der Zeit des Aufschwungs nationaler Ideen in Kroatien an Bedeutung gewann. Unter anderem studierte bei ihm Antun Dobronić (1878-1955), ein kroatischer Komponist, der Novák in Zagreb zu großer Bekanntheit verhalf.

Der multikulturelle Raum der Österreichisch-ungarische Monarchie zeichnete sich durch geistigen und kulturellen Reichtum und Vielfalt aus. Doras größte Bereicherung war in diesem Umfeld der langfristige Aufenthalt auf Schloss Vrchotovy Janovice südlich von Prag – im Sitz ihrer engen Freundin Sidonie Nádherná aus Borutín. Ihr Bruder Johannes war sogar Doras Jugendliebe. Nach seinem unerwarteten Tod (1913) schreibt sie ihm zum Andenken die Elegie für Violine und Klavier op.34. In denselben Kreisen bewegte sich auch der Dichter Karl Kraus, Sidoniens langjähriger Partner, der Dora einige seiner Gedichte widmete, sie vertont seine Verse, darunter das Lied Verwandlung op.37 (1915). Die Komposition hat Kraus Arnold Schönberg gezeigt, der das Werk gelobt hat, obwohl er über komponierende Frauen eher zurückhaltend war.

Das kultivierte Leben im Schloss Janovice mit seinem gepflegten Park, wo die Komponistin auch andere Intellektuelle traf, war ihre dauernde Inspiration. Zuletzt weilte sie mit kleinen Unterbrechungen von Sommer 1919 bis 6. Januar 1920 in seinen Mauern. Geborgenheit und Ruhe in unruhigen Zeiten bringt ihr dieser lange Aufenthalt, währenddessen die Ouverture für großes Orchester op.49 und das zweite der drei Nietzsche Lieder op.53 entstanden. Davon zeugt auch ihr Gelegenheitsgedicht, das sie als Dank für die Gastfreundschaft ins Janovitzer Gästebuch eingeschrieben hat; es ist ein Text, gefärbt von Sehnsucht nach einer für immer verschwundenen Zeit. Der Anfang „Wohl mir, die eine Heimat fand“  ist eine freie Übertragung des letzten Verses des Nietzsche-Gedichts, das sie vertont hat: „Weh dem, der keine Heimat hat“.

Nur ein Stückchen von Sidonie entfernt, auf dem Schloss Kosova Hora (Amschelberg), lebt auch Doras zweite intime Freundin – die Baronin Rosa Lumbe Mladota von Solopisk. Ihr Bruder Ottomar von Lumbe wird Dora im Herbst 1921 sogar heiraten.

Nicht zuletzt dadurch gab es einen regen Briefwechsel zwischen Kosova Hora und Našice, aus dem wir nicht nur etwas über Doras kritischen Blick auf das Leben der meisten Aristokraten, sondern auch über ihre Beziehung zu ihrer Mutter und vor allem über ihr Werk erfahren.

Rosa ist eine aufmerksame Zuhörerin und ihre Schwester Josefine (Juža) eine gute Pianistin. Dora vertraut auf das Urteil der beiden, denen sie alles über die Entstehung der Humoresken op.54 und Zwei Nocturnos op. 50 für Klavier berichtet. Die Nocturnos sind Rosa gewidmet, den beiden Schwestern die Zwei Lieder op.55, die während eines Besuches in Kosova Hora am 10. Oktober 1920 komponiert wurden.

Wie ein bunter Faden zieht sich die Musik der Komponistin Dora Pejačević durch das diesjährige Festivalprogramm. Ihr Werk entstand auf den Spuren der klassisch-romantischen Tradition als ein wesentlicher Beitrag der kroatischen musikalischen Moderne (im Zeitraum von etwa 1890 bis etwa 1920). Das Festival bringt eine repräsentative Auswahl aus ihrem Instrumentalwerk, darunter Werke der Kammermusikgattungen, Orchesterwerke und Klavierkompositionen. Auf dem Programm stehen auch zwei Orchesterlieder, die so typisch für die Musik der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert sind.

Wir erleben die Ausdruckswelt der Komponistin, die lebenslang ihren Weg von jugendlichen romantischen Vorbildern, über Wagner und Brahms zu einer eigenen Musiksprache suchte. Ihre Musik zeigt meisterhafte Beherrschung traditioneller Formen mit intensiver thematischer Arbeit, differenzierte Harmonik und Klang, aber auch einen Aufbruch zu neuen Lösungen, bis zu ihrem letzten Werk, dem unkonventionellen 2.Streichquartett op.58 (1922), mit seinem ernsten, absteigenden Ausklang.

Ging es um die Andeutung neuer Wege oder gar um Abschied…?

Koraljka Kos, die Autorin

 

 

Fotos: Archiv Schloss Vrchotovy Janovice, Archiv LVMF, Wikipedia Gemeinfrei

 

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