Texte zu den vokal-instrumentalen Kompositionen zum Herunterladen (in English)
Antonio Vivaldi (1678–1741)
Konzert für Streicher g-Moll RV 152
I. Allegro molto
II. Andante molto e sempre pianissimo
III. Allegro molto
Filiae maestae Jerusalem RV 638 (Introduktion zum Miserere)
Konzert für Viola d’amore d-Moll RV 394
I. Allegro
II. Largo
III. Allegro
Juditha triumphans RV 644
Zwei Arien des Holofernes
„Nil arma, nil bella“ (Keine Waffen keine Schlachten)
„Agitata infido flatu“ (Zerrissen von trügerischem Wind)
Konzert für Streicher B-Dur RV 167
I. Allegro
II. Andante
III. Allegro
Violinkonzert e-Moll RV 279, Op. 4 Nr. 2 aus der Sammlung „La Stravaganza“
I. Allegro
II. Largo
III. Allegro
Stabat Mater RV 621
I. Stabat Mater dolorosa. Largo
II. Cujus animam gementem. Adagio
III. O quam tristis. Andante
IV. Quis est homo. Largo
V. Quis non posset. Adagissimo
VI. Pro peccatis suae gentis
VII. Eja mater, fons amoris
VIII. Fac ut ardeat. Lento
IX. Amen
– Konzert ohne Pause –
Accademia Bizantina
Alessandro Tampieri, Dirigent, Barockvioline & Viola d’amore
Maria Grokhotova & Lisa Ferguson, 1. Violine
Ana Liz Ojeda, Mauro Massa & Heriberto Delgado,2. Violine
Marco Massera & Alice Bisanti, Viola
Alessandro Palemeri & Paolo Ballanti, Cello
Nicola Dal Maso, Kontrabass
Tiziano Bagnati, Laute
Valeria Montanari, Cembalo
Delphine Galou, Kontraalt
Die gebürtige Pariserin Delphine Galou, „Entdeckung des Jahres 2004“ der französischen Assoziation ADAMI, begann ihre Karriere in der Nachwuchsschmiede Jeunes Voix du Rhin. Die glückliche Entscheidung, sich auf die Interpretation Alter Musik zu spezialisieren führte die französische Kontraaltistin mit der unverwechselbaren Stimme zu Ensembles wie dem Venice Baroque Orchestra (Andrea Marcon), Les Arts Florissants (Jonathan Cohen), Le Concert des Nations (Jordi Savall), Ensemble Matheus (Jean-Christophe Spinosi), Les Musiciens du Louvre (Marc Minkowski), Collegium 1704 (Václav Luks) und Les Talents Lyriques (Christophe Rousset). Ihre Karriere schmücken Mitwirkungen am Royal Opera House in London, am Théâtre des Champs-Elysées in Paris, an der Staatsoper Berlin, am Theater an der Wien oder am Lincoln Center New York. Das Repertoire Delphine Galous zählt eine ganze Reihe von Werken Antonio Vivaldis – neben dem Oratorium Juditha triumphans studierte sie auch die Opern Orlando furioso, L’incoronazione di Dario, Teuzzone (Einspielung mit Jordi Savalle für den Verlag Naïve) oder Orlando 1714 (Einspielung mit Federico Maria Sardelli ebenfalls für Naïve) ein. Ihre Stimme ist auch beim renommierten Label Deutsche Grammophon zu finden. Die Zusammenarbeit Delphine Galous mit dem Orchester Accademia Bizantina ist sehr umfänglich und erfolgreich. Im Jahr 2018 erhielten sie für ihr gemeinsames Album Agitata den Gramophone Award in der Kategorie „Recital“.
„Ich habe mich nie besonders von den technischen Möglichkeiten oder der Virtuosität eines Instruments hinreißen lassen, noch nicht einmal im Falle der Violine. Ich liebe Musik in ihrer reinsten Form,“ sagt Alessandro Tampieri, Konzertmeister des Ensembles Accademia Bizantina. Mitglied des Orchesters wurde er bereits mit fünfzehn Jahren und schrittweise reifte er unter Ottavio Dantone zu einem Spitzenkünstler heran. „Er ist der Musiker mit der allerklarsten musikalischen Vision, dem ich je begegnet bin. Eine authentische Persönlichkeit,“ sagt Tempieri über ihn. Sein Interesse an historisch informierter Interpretation führte ihn zur Zusammenarbeit auch mit anderen Spitzenbarockensembles und Solisten wie Il Giardino Armonico, L’Arpeggiata, Enrico Onofri, Philippe Jaroussky oder Vittorio Ghielmi. Neben der Violine beschäftigt er sich auch mit der Viola und der Viola d’amore. Seine Aufnahmen von Vivaldis Konzerten für Viola d’amore und der Violinkonzerte „Per il Castello“ mit der Accademia Bizantina ziert die Kollektion Vivaldi Edition des Verlags Naïve. Alessandro Tampieri ist Professor am Giocchino Rossini Konservatorium in Pesaro.
Der französische Diapason d’Or, der britische Gramophone Award, der Prix Classica oder auch die Nomination für den Grammy Music Award – dies ist nur der Grundstock einer langen Liste internationaler Erfolge des italienischen Ensembles Accademia Bizantina. Die Formation gründete sich 1983 in Ravenna, Ziel war es, Musik für Streichorchester auf kammermusikalische Weise zu interpretieren. Diese Philosophie, kombiniert mit tiefgreifenden Studien und künstlerischem Engagement sämtlicher Ensemblemitglieder, ließ die Accademia Bizantina zu einem der bewundernswertesten, auf historischen Instrumenten musizierenden und auf Musik des 17. bis 19. Jahrhunderts spezialisierten Kammerorchester werden. Ihr Spiel trägt die Merkmale beliebtester italienischer Musiktradition. Seit 1996 entfalten sie sich künstlerisch unter der Leitung des Cembalisten und Dirigenten Ottavio Dantone, der die Accademia Bizantina unter die renommiertesten Barockensembles der Welt brachte, sie geben Trends an und stehen hinter der Wiederentdeckung vieler vergessener Kleinode besonders im Bereich der barocken Opern und Oratorien. Die Accademia Bizantina spielt Aufnahmen für die Verlage Decca, Harmonia Mundi und Naïve ein. Dieses Jahr waren sie nominiert für den Gramophone Award in der Kategorie „Orchester des Jahres“.
„Vivaldis Musik ist sehr intuitiv, natürlich, spontan, sie kann einen schnell ansprechen. Natürlich gibt es von ihm eine Menge Instrumentalkompositionen, er verstand aber wirklich viel von der menschlichen Stimme und begriff ihre Stärke, Emotionen in den Menschen hervorzurufen. Ich vergöttere seine Musik, weil es sich für mich anfühlt, als hätte er sie für mich geschrieben!“ (Delphine Galou)
„Das italienische Konzept von Vivaldi? Große Sensibilität für Details und subtile farbliche Schattierungen. Wie das Hell-Dunkel bei Caravaggio. Und wir mögen den vollen Klang. Vielleicht auf Kosten der Eleganz, aber das Ergebnis ist die Verkörperung des Lebens.“ (Alessandro Tampieri)
Das fünfte Festivalkonzert stellt Antonio Vivaldi als einen Komponisten vor, der nicht nur das Genre der Instrumentalkonzerte, sondern auch Oper, Oratorium und alle Arten geistlicher Vokalmusik hervorragend beherrschte. Vivaldis Herzstück ist sein vielleicht populärstes geistliches Werk, das Stabat Mater RV 621 aus dem Jahr 1712. „Es ist eine unglaublich schöne Musik, die die charakteristischen Vivaldi-Merkmale trägt, wie beispielsweise das Thema in den Geigen im Teil Fac ut ardeat, das die Flammen der Liebe ausdrücken soll“, stellt Alessandro Tampieri das Werk vor. Vivaldi arbeitet hier mit nur zehn Versen des Originaltextes: mit den ersten vier Versen, welche die Klage der Jungfrau Maria ausdrücken und den ersten sechs Versen aus dem Gebet Christi. Es ist auch kompositorisch eine sehr ungewöhnliche Komposition, da er die Musik der Teile eins bis drei in den Teilen vier bis sechs wiederholt. „Das erweckt in mir den Eindruck, dass Vivaldi das Stabat Mater entweder auf Bestellung oder unter Zeitdruck geschrieben hat. Allerdings muss man sich bewusst machen, dass die Musiker damals ihre Kompositionen nicht als bewunderungswürdige Meisterwerke, sondern als gut gemachtes Handwerk betrachteten. Aus heutiger Sicht haben sie im Grunde Konsum-Musik geschrieben“, erklärt Tampieri. Das Programm beginnt mit dem kurzen Konzert für Streicher g-Moll RV 152. „Ich würde diese Vivaldi-Konzerte für Streicher mit den winzigen Skizzen vergleichen, die Michelangelo malte, bevor er David erschuf. Es sind sehr kurze Stücke, so lang wie die heutigen Popsongs oder ein längerer Werbespot. In ihnen arbeitet Vivaldi fast seriell mit einem Thema. Er brauchte wahrscheinlich genauso viel Zeit, um solche Konzerte zu verfassen, wie ein Kopist, um sie abzuschreiben.“ Eine Rarität unter den Instrumentalkonzerten des Abends wird sicherlich das Konzert für Viola d‘amore d-moll RV 394 sein, nicht nur von der Art des Instruments her, sondern auch aufgrund der besonderen „orientalischen“ Färbung der Komposition. „Vivaldi lebte in Venedig in einem Viertel, in dem sich viele Sklaven, hauptsächlich aus arabischen Ländern, aufhielten. Er muss dort auch ihre Musik gehört haben. Darüber hinaus haben wir Hinweise darauf, dass Vivaldi die zwölfsaitige Viola d‘amore mit sechs Saiten oben und sechs unten spielte, auf der er sich sicher in sehr hohen Lagen bewegte, was als weiterer Hinweis auf die Musik des Nahen Ostens verstanden werden kann, genauer gesagt auf osmanischen Musik. Die sechs Konzerte, die Vivaldi für dieses Instrument geschrieben hat, sind voll von stark arabisierenden Momenten“, sagt Tampieri, der für das Konzert seine eigene, und das sei dazu gesagt, großartige „orientalische“ Kadenz geschrieben hat. „Vivaldi hat eigentlich keine Kadenzen geschrieben, er improvisierte eher, aber die, die überlebt haben sind außergewöhnlich seltsam, mit plötzlichen Tonwechseln und Spielereien auf leeren Saiten. Deshalb habe ich für die Viola d‘amore eine Kadenz voller orientalischer Elemente geschrieben, bei der man ab einem gewissen Moment den Eindruck bekommt, man schaue auf einen Harem.“ Unter den vokal-instrumentalen Kompositionen des Abends erwähnen wir noch zwei Arien aus dem einzigen erhaltenen Oratorium des Komponisten Juditha triumphans RV 644, das allegorisch den Sieg der Venezianer über die Türken 1716 beschreibt, sowie die Antiphone Filiae maestae Jerusalem RV 638, komponiert um 1715 im Ospedale della Pietà. Im einleitenden Rezitativ wird der Sänger aufgerufen, den Gekreuzigten zu betrauern, das letzte Wort des Textes ist ein Signal für den Psalm Miserere, der folgen würde, wenn ihn nicht Vivaldi selbst vermutlich irgendwo verloren hätte…