Der Kunsthistoriker Jiří Kroupa ist sicherlich der gründlichste und bewandertste Historiker der Spätaufklärung in Mähren. Seine lebenslangen Forschungen sind in der Monographie „Die Alchemie des Glücks – Spätaufklärung und mährische Gesellschaft 1770–1810“ zusammengefasst, welche die soziale Struktur und den Wandel des Landadels in die Hofaristokratie nachzeichnet.
Kroupa zeigte, wie nach und nach neue Salons entstanden, in denen es manchmal sogar Frauen (z.B. Marie von Dietrichstein) gelang sich auf bedeutende Weise durchzusetzen. Am interessantesten sind die Beschreibungen einzelner Salons und der Versuch, ihre Entwicklung und ihre Beziehung zur Staatspolitik einzufangen. Und hier beginnt Kroupas Entdeckung der Alchemie des Glücks, und als eines der bedeutendsten Symptome dieser neuen Situation identifizierte er die Freimaurerei und die Geheimbünde in Mähren.
Die größte Aktivität der Freimaurer in Mähren fällt in die erste Phase der Spätaufklärung – also in die 70er bis 90er Jahre des 18. Jahrhunderts. Dies lässt sich gut am Beispiel von drei „Freimaurer“-Opern demonstrieren: Antonio Salieris Tarare (später vom Autor für die österreichische Wiederverwertung der ursprünglich französischen Oper für Paris 1787 verwendet), Wolfgang Amadeus Mozarts Don Giovanni (Prag 1787) und vom selben Autor „Ober-Freimaureroper“ Die Zauberflöte (Wien 1791).
Salieris freimaurerische Tätigkeit entsprach ebenso wie die von Mozart der Situation, in der die Freimaurer im frühen Josephinismus als Mitarbeiter bei der Schaffung eines modernen bürokratischen Staates angesehen werden konnten, in dem der Monarch und alle Institutionen an das Gesetz gebunden sind. Joseph II. strebte danach, Österreich in einen solchen Staat umzuwandeln, und sein Jahrzehnt der unabhängigen Herrschaft (1780–1790) markierte einen geradezu revolutionären Wandel der Gesellschaft in Bezug auf Untertanen, Kirche und Adel. Josephs Abkehr von der Freimaurerei erfolgte erst, als der Monarch verstand, dass diese politische Gruppe zusätzlich zu seiner Strategie eine eigene hatte, die sie bevorzugte.
Die höchst freimaurerische Geschichte von Salieris Oper Tarare über die Suche nach einem weisen Monarchen, der den Gesetzen unterworfen ist und sein will, hatte 1787 in Paris einen großen Erfolg. Weniger musikalisch als vielmehr Ausdruck der angespannten Situation, als die Entstehung des Dritten Standes und die allmähliche Machtübernahme bereits bevorstanden.
Mozart war ähnlich politisch. Wenn er in der Oper Don Giovanni nach dem Libretto von Lorenzo da Ponte die Hochzeitsgäste in seinen Palast einlädt, tut er dies mit dem Satz: „Das Tor steht allen offen und es lebe die Freiheit.“ Dieses wiederholte Feiern der Freiheit muss damals über alle Maßen beeindruckend gewesen sein.
Eine weitere „freimaurerische“ Oper, „Die Zauberflöte“, bringt bereits eine Reihe freimaurerischer Symbole mit, und obwohl sich Schikaneder, der Autor des Librettos, seine Art freimaurerischen Daseins zu Nutze machte und dem Wiener geradezu vorstädtischen und „volkstümlichen“ Publikum eine bunte Mischung freimaurerischer Symbole bot, vermengt mit dem veränderten Zeitgeschmack und dem Libretto, das selbst ein inhomogenes Allerlei ist, das verbindende Element ist Mozarts brillante Musik. Allerdings wurde die Freimaurerei, ebenso wie der Libertinismus, in Österreich lange Zeit zum Schweigen gebracht.
Auch wenn in den 1980er und 1990er Jahren „Freimaurer“-Opern aufgeführt wurden und andere Umsetzungen freimaurerischer Ideen in Musik, Literatur und sogar bildender Kunst auftraten, setzten die Napoleonischen Kriege und der Beginn der Reaktion nach dem Wiener Kongress allen Erscheinungsformen des späten Libertinismus (am meisten z.B. in da Pontes und Mozarts Cosí fan tutte) sowie Anklängen an die Freimaurerei und etwaige Verbindungen zur früheren Aufklärung endgültig ein Ende.
Wir beschäftigen wir uns zudem mit etwas, was zu dieser Zeit häufig zu finden war: dem Leben in privaten Salons – aristokratisch und später auch bürgerlich – am Beispiel der Haugwitzer Grafen. Nach dem Wiener Kongress zogen sich Vater und Sohn Heinrich und Carl Wilhelm Haugwitz in eine Art allseits respektiertes Privatissimo ihres Schlosses und ihrer Subkultur zurück. Nach 1800 orientierten sich die Musikaufführungen im Schloss am Hauptplatz an einem wesentlichen und neuen Phänomen: dem Historismus und der Entdeckung der Musik älterer Generationen. Heinrich Haugwitz erlernte systematisch die Musik von Händel, Naumann und anderen. Allerdings konnte in diesem Zusammenhang diese Tendenz als ein aus dem Umfeld des Baron van Swieten, dem Sohn des Hofarztes Maria Theresias, stammendes Phänomen dokumentiert und erklärt werden, dessen Konzerte sich zu einer systematischen Betätigung entwickelten und in Aktivitäten der „Gesellschaft der Musikfreunde“ mündeten und sich nach und nach auch auf andere Adelssitze (die Lobkovics, Kinští, Lichnovští und andere) ausbreiteten.
Neben der Restaurierung älterer Musik pflegte Heinrich Haugwitz Kontakte zu Salieri, Beethoven, vielleicht auch zu Schubert und anderen, wie Salieris Briefe an den Grafen, Widmungen handsignierte Partituren und eine ganze Reihe weiterer Umstände belegen. Die Situation änderte sich etwas nach dem Tod von Heinrich Haugwitz. Während zu Heinrich Haugwitz‘ Zeiten Aufführungen und Konzerte noch ein relativ großes Publikum anzogen, wurde nach seinem Tod der gesamte Salon komplett geschlossen. Da handelt es sich jedoch bereits um eine völlig neue Situation in den 40er-70er Jahren des 19. Jahrhunderts.
Autor: Prof. PhDr. MgA. Miloš Štědroň, CSc., Musikkomponist, Musikwissenschaftler und Pädagoge